Zeilen aus der Vergangenheit – Ein Gruss aus Aesch
Eine Postkarte und ihre - fiktive - Geschichte.
Diese Postkarte haben wir in unserem Archiv gefunden. Im November 1905 sendet sie A. Häring an
Mademoiselle Elise Beutler, 1ere chef cuisinières (Hotel) Aigle, Grindelwald Suisse
Bin glücklich in Aesch angelangt. Habe lange Zeit nach der Küche. Erwarte v. Ihnen das Versprochene. Haben schlechtes Wetter. Erwarte auch eine Karte v. Ihnen. Viele herz. Grüsse von A. Häring.
Die Karte mit dem Gruss hat uns neugierig gemacht. Wir würden gerne mehr darüber erfahren. Welche Geschichte verbirgt sich hinter dem Gruss aus Aesch? Könnte sich vor unseren Augen eine romantische Liebesgeschichte anbahnen?
Der Fund inspirierte uns zu einer eigenen, fiktiven Geschichte. Welche Verbindung besteht zwischen Elise und Albert? Wir haben uns eine Geschtie rund um den Bau der 1912 eröffneten Jungfraubahn ausgedacht. Die darin erwähnten historischen Persönlichkeiten haben wohl alle ihren Beitrag zum Gelingen dieses Projekts geleistet.
Begegnungen im Schatten der Berge
Ein Diner mit Folgen
Im Sommer des Jahres 1905 herrschte im Hotel Aigle in Grindelwald reges Treiben. Ingenieure, Bauleiter und Politiker hatten sich eingefunden, um die Fortschritte der Jungfraubahn zu erörtern. Zu einem festlichen Diner versammelten sich auch bedeutende Persönlichkeiten wie Eduard Locher, der Projektleiter, und Bundesrat Ludwig Forrer. Unter den Gästen befand sich zudem Alfred Häring, ein Spezialist für Metallbau aus Aesch, der auf Empfehlung des renommierten Maurice Koechlin anreiste. Koechlin, dessen Name mit dem Eiffelturm untrennbar verbunden war, hatte Alfred mit dem nötigen Wissen ausgestattet, um in den schroffen Alpen stabile Bauwerke zu errichten.
Das Diner war von großer Eleganz, und besonders die Küche des Hotels sorgte für Bewunderung. Elise Beutler, die 1ère chef cuisinière, stellte ihr Können mit meisterhaft zubereiteten Gerichten unter Beweis. Auf Wunsch der versammelten Gäste erschien sie kurz im Speisesaal, um deren Lob entgegenzunehmen. Alfreds Blick blieb auf ihr ruhen, während sie in aller Höflichkeit ihren Dank aussprach. Nur für einen flüchtigen Moment kreuzten sich ihre Augen, doch etwas Unausgesprochenes lag in der Luft – eine seltsame Spannung, die sich keiner von beiden zu erklären vermochte.
Zufällige Begegnungen
In den Tagen nach dem Diner kreuzten sich ihre Wege immer wieder. Es waren keine geplanten Treffen, sondern zufällige Begegnungen, wie sie im geschäftigen Alltag des Hotels vorkamen. Alfred, fasziniert von Elises ruhiger Präsenz, wagte eines Tages ein zurückhaltendes Kompliment: „Ihre Gerichte sind so fein und präzise wie die besten Konstruktionen.“ Elise lächelte überrascht. „Es ist mein Handwerk, Herr Häring, so wie das Ihre das Bauen ist.“ Es war ein schlichter Austausch, doch in diesen Augenblicken erwuchs ein stilles Verständnis zwischen ihnen, das keiner auszusprechen wagte.
Am Vorabend seiner Heimreise traf Alfred Elise unerwartet in der Bibliothek des Hotels an. Sie kamen ins Gespräch über die Mühen und Herausforderungen, die jeder in seinem Bereich zu bewältigen hatte. Alfred sprach von den schneidenden Winden und dem Widerstand der Felsen, Elise von den langen Stunden in der heißen Küche und der Sorge, den hohen Ansprüchen der Gäste zu genügen. „Es braucht Mut, hier in den Bergen zu bestehen,“ sagte sie schließlich, und ihre Stimme klang nachdenklich. Alfred nickte zustimmend, und für einen Augenblick schien es, als ob das Verstehen des einen dem anderen Kraft gab.
Ein stilles Band
Der Abschied kam schneller, als ihnen lieb war. Am nächsten Morgen war Alfred bereits abgereist, ohne große Worte zu verlieren. Einige Tage darauf erreichte eine Postkarte aus Aesch Elise im Hotel. Sie erkannte die klare Handschrift sofort: „Bin glücklich in Aesch angelangt. Habe lange Zeit nach der Küche.“ Die Worte trafen sie unerwartet tief. „Erwarte von Ihnen das Versprochene.“ Es war eine einfache Botschaft, doch Elise verstand, dass sie weit mehr bedeutete als das, was auf dem Papier stand. Es weckte Erinnerungen an die Augenblicke der Nähe, die flüchtig und doch intensiv gewesen waren.
Die Postkarte legte Elise sorgsam in ihre Schürzentasche. Immer wieder zog sie sie hervor, wenn der Lärm der Küche verstummte und sie allein war. In den schlichten Worten klang etwas nach, das sich nur schwer in Worte fassen ließ – ein stilles Gefühl, verborgen zwischen den Zeilen, das ihr Herz berührte. Es war keine Liebe, wie man sie in Romanen las, sondern eine zarte, unausgesprochene Verbindung, die nur sie beide verstanden und die sich in den Augenblicken zeigte, in denen die Welt für einen Atemzug stillzustehen schien.
Die Postkarte von A. Häring hat uns zu dieser fiktiven Geschichte inspiriert. Die geschilderte Begegnung ist frei erfunden und entspringt unserer Fantasie. Ähnlichkeiten mit historischen Ereignissen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.